Rumänien: Das Gold der Karpaten

Rumänien: Das Gold der Karpaten

Als Hauptquartier haben sich die „Cowboys“ ein Gebäude am staubigen Dorfplatz ausgesucht. Sie haben es gestrichen, das Dach repariert und drei farbenfrohe Flaggen vor den Eingang gestellt. Die kanadische, die rumänische und die der EU.

Zuletzt haben sie ein Schild an der Frontseite angebracht: Roşia Montană Gold Corporation, RMGC. Davor parken bullige japanische Geländewagen. Sie wirken wie von einem anderen Planeten in Roşia Montană, wo Pferdefuhrwerke keine Seltenheit sind und wo die Menschen jeden Morgen am Ortsausgang auf eine Mitfahrgelegenheit hoffen, weil die Busse seit dem Ende des Kommunismus nur noch sporadisch verkehren.

Doch die „Cowboys“ haben versprochen, das Transportproblem zu lösen. So wie sie ohnehin versprochen haben, jedes Problem in Roşia Montană zu lösen. Wenn, ja wenn man sie nur endlich an den Schatz heranließe, auf dem die 2.500 Einwohner des Karpatendorfes sitzen, das idyllisch am Ende eines waldreichen Tals liegt.

„Es sind die größten Goldvorkommen Europas“, schreit Gary O’Connor, „es wäre genug, damit hier jeder einen Mercedes fährt“. O’Connor steht neben einem Diamantbohrer, der sich dröhnend in den Waldboden schraubt. Rund um den acht Meter hohen Bohrturm liegen zersplitterte Baumstämme. Ein Bulldozer hat eine Schneise der Verwüstung im Wald hinterlassen. „No Problem“, ruft O’Connor. „Wir räumen das auf.“ Der Neuseeländer ist Exploration Manager der RMGC. Mit seinem kantigen Kopf und der breiten Brust ginge der 44-Jährige auch als Rugby-Spieler durch. Er hat schon für Minenfirmen in Papua Neuguinea, Peru und Kanada gearbeitet. Nun leitet er die Probebohrungen der RMGC in den Wäldern rund um Roşia Montană. „Wir sind jetzt bei 276 Metern“, ruft O’Connor. Der Bohrer ändert die Drehrichtung, braunes Wasser schießt aus dem Bohrloch hervor, dann gleitet eine Metallröhre aus der Erde. Die rumänischen Arbeiter ziehen einen grauen Zylinder heraus. O’Connor beugt sich über das Felsgestein und hebt den Daumen. Er lacht über die Frage, warum kein Gold im Gestein zu sehen sei. „Pro Tonne Erdreich gibt es 1,5 Gramm Gold. Um da heranzukommen, müssen wir alles in die Luft jagen.“ O’Connor wird die Probe analysieren und dann einen Bericht an die Firmenleitung schicken. So gut wie immer zieht er positive Bilanz über die Goldvorkommen in Roşia Montană. „Das ist gut für den Aktienkurs der RMGC“, erklärt er. Seit fünf Jahren wohnt O’Connor mit seiner indonesischen Frau und zwei kleinen Kindern in Roşia Montană. „Es sollte Feststimmung herrschen“, meint er. „Roşia Montană ist das neue El Dorado.“

Fragt man aber die Leute in Roşia Montană, ob sie froh darüber sind, in El Dorado zu wohnen, dann verziehen sie die Münder und ihre Augen kriegen einen düsteren Glanz. „Das Gold ist verflucht“, sagen sie dann. „Es hat uns immer nur Unglück gebracht. Jetzt hat es sogar das Dorf entzweit.“ Ioan Mera kennt sich aus mit Goldräuschen. Der orthodoxe Pope umgreift ein Grabkreuz auf dem verwilderten Friedhofshügel hinter seiner Kirche: „Sie haben die Menschen geblendet und ihre Herzen verschmutzt. Sie glauben, dass man mit Geld alles kaufen kann. Es ist an der Zeit, dass das ganze Tohuwabohu endet.“ Gemeinsam mit Katholiken, Protestanten und Unitariern hat sich Mera gegen das Minenprojekt der RMGC ausgesprochen. Es sei zwar nicht einfach gewesen, sich mit den anderen Kirchenmännern zu einigen. Aber was die RMGC vorhatte erschien allen ungeheuerlich: „Sie wollen mehrere Kirchen und Friedhöfe dem Erdboden gleich machen“, stößt der 60-Jährige nach einem Glas Zwetschgenschnaps aus eigene Produktion hervor. „Diese Cowboys haben unsere Gastfreundschaft schon reichlich strapaziert. Jetzt wollen sie sogar die Toten ausgraben. Das hat sich noch keiner getraut. Nicht mal Kommunisten.“

Seit mehr als 2000 Jahren ziehen die Goldräusche über Roşia Montana wie Stürme hinweg. Das Gold bleibt, wenn der Wind nachlässt, immer woanders liegen. Erst trieben die Römer mit Hammer und Meißel kilometerlange Schächte in die Berge. Ein paar Jahrhunderte später holten sich die Österreichisch-Ungarischen Herrscher, was die Römer übrig gelassen hatten. Nach dem letzten Weltkrieg errichteten dann die Kommunisten etwas oberhalb des Dorfes einen kleinen Tagebau. Dort wird immer noch täglich um 14 Uhr gesprengt. Dann donnern schwere Laster durchs Dorf, die das Gestein auf klappernde Loren verladen. Im Tal werden die Steine zertrümmert. Heraus kommen wegen der archaischen Produktionsmethoden vor allem Verluste. Und ein cadmiumverseuchter Bach mit dem PH-Wert einer Autobatterie. Seit Jahrzehnten fließt er ungeklärt ins Tal. Doch die staatliche Firma Minvest hat kein Geld für Investitionen. Das Geld reicht gerade, um 510 Kumpel zu bezahlen, die wie meisten Menschen der Gegend nur überleben weil sie Tiere und ein wenig Land besitzen.

Vielen erschien es in da wie ein Segen, als 1997 die Manager der RMGC mit ihren metallicfarbenen Autos in Roşia Montana einritten. Sie hatten für drei Millionen Dollar eine Konzession von der rumänischen Regierung erhalten, um nach Gold zu bohren. Wir bringen Arbeitsplätze, sagten sie, was kann Rumänien denn besseres passieren? Ein Land, in dem das Durchschnittseinkommen zwischen 100 und 150 Euro liegt. Wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung von Subsistenzwirtschaft lebt. Schaut euch doch um, es gibt keine Telefone und Nachts fließt kein Wasser. Eure Straßen sind voller Löcher, eure Fabriken Schrott und schon euren Kindern fallen die Zähne aus,

Die RMGC schlug vor, in Roşia Montană die größte offene Goldmine Europas zu bauen. Ein gigantisches Vorhaben. Da die Römer die Goldadern bereits ausgebeutet haben, ist das Gold nur noch sporadisch im Gestein vorhanden. Die RMGC will daher vier Berge komplett pulverisieren und das Gold mit dem hochgiftigen Zyanid aus dem Gestein lösen. Täglich sollen 100 Tonnen TNT eingesetzt werden. Insgesamt 250 Millionen Tonnen Erdreich will man abtragen. Die Zyanidschlacke, so der Plan weiter, sollen in einem benachbarten Tal gelagert werden. Den Giftsee, der entstünde, würde man durch einen Damm von 185 Meter Höhe sichern. Die 2.000 Menschen, die auf dem betroffenen Land leben, müssten freilich umgesiedelt werden. Auch einige historische Gebäude aus österreichisch-ungarischer Zeit würden dem Plan zum Opfer fallen. Ebenso ein Großteil der einzigartigen römischen Minenschächte. Doch dafür werde man 400 direkte und 900 indirekte Jobs schaffen. Und am Ende, nach 17 Jahren Schürfzeit, so das Versprechen der RMGC-Manager, werde man 300 Tonnen Gold und 1.600 Tonnen Silber gefördert haben.

Die rumänische Regierung schien zunächst beeindruckt. Sie sah großzügig darüber hinweg, dass die RMGC zu achtzig Prozent in der Hand des jungen kanadischen Unternehmens Gabriel Resources war, das noch nie eine Mine betrieben hatte. Auch das Gabriel Resources von dem Exilrumänen Frank Timis gegründet worden war, schien kein Grund zur Sorge. Timis hatte in Australien zweimal wegen Heroinbesitzes im Gefängnis gesessen und nun Gabriels Konten im Steuerparadies Barbados eröffnet. Nur der Plan mit dem Zyanidsee weckte schlechte Erinnerungen. In Baia Mare nördlich von Roşia Montană war im Jahr 2000 ein ebensolcher Zyanidstausee geborsten. 100.000 Kubikmeter verseuchtes Wasser flossen in die Theiß und in die Donau. Millionen von Fische verendeten, die Trinkwasserversorgung für Tausende Menschen war gefährdet. Bis heute ist eine Schadensersatzklage der benachbarten Ungarn anhängig.

Also schob die Regierung eine Entscheidung auf die lange Bank und wartete auf die Machbarkeitsstudie der RMGC. Doch die ließ auf sich warten, ist bis heute nicht fertig. „Weil die rumänische Regierung dauernd die Umweltgesetze ändert“, entschuldigt sich Gary O’Connor. „Sie passt sie an die strengen EU-Richtlinien an“. Was die RMGC jedoch nicht davon abgehalten hat, schon mit dem Aufkauf privater Grundstücke in Roşia Montană zu beginnen. Sie lockt mit Summen zwischen 30.000 und 100.000 Dollar und einer Anstellung bei der RMGC. Fast 40 Prozent des benötigten Landes hat sie bereits erworben.

„Wie oft standen sie schon bei mir vor der Tür und haben gesagt, dass ich gehen muss“, erzählt Eugen David und man weiß nicht, ob er lächelt, um seine Sorgen zu verbergen oder weil er es tatsächlich lächerlich findet. Er sitzt mit nacktem Oberkörper auf einer frisch gemähten Wiese und raucht eine Zigarette. Seine Frau, seine Mutter und seine Tochter rechen in einiger Entfernung das Gras zusammen und schichten es zu Schobern auf. Sie tragen bunte Kleider und Kopftücher. Es ist die Zeit der Ernte in Transsylvanien. Meterhoch beladene Pferdewagen rollen über die Feldwege, die Gegend duftet nach Heu. „Wenn ich im Gras bin, sind die Banditen weit weg“, sagt Eugen David. Er meint die „Boy Scouts“ der RMGC. Junge Männer aus den Städten der Umgebung, die zu den Häusern der Bauern ziehen und sagen: Es hat keinen Zweck. Verkauf lieber gleich! Doch Eugen David ist keiner, bei dem das Eindruck machen könnte: „Ich musste ihnen schon mehrmals die Zacken meiner Mistgabel zeigen. Einmal drohten sie, mir die Kehle durchzuschneiden. Ich warte bis heute drauf.“

David hat früher selbst als Ingenieur in einer nahe gelegenen Kupfermine gearbeitet. Jetzt ist er der erfolgreichste Bauer in Roşia Montana. Er hat 30 Kühe, 20 Schafe und acht Schweine. Er baut Zwiebeln, Bohnen, Rote Beete und Mais an. Und wie fast alle hier brennt der 38-jährige Zwetschgenschnaps. Er soll der beste der Gegend sein. Die knapp 20 Hektar Land, die er besitzt, sind für das Projekt der RMGC unerlässlich. Sie befinden sich auf einer der vier geplanten Gruben. Doch David schwört: „Sie kriegen das Land nur über meine Leiche. Wir sind das gallische Dorf, sie sind die Römer.“ Erst kürzlich ist David zum Präsidenten der Bürgerinitiative Alburnus Maior gewählt worden. Sie repräsentiert 350 Familien, die sich kategorisch weigern, ihr Land zu verkaufen. Insgesamt will die RMGC 900 Familien umsiedeln. Und längst nicht alle gehen so gelassen mit dem Druck um wie Eugen David. Andere Bauern berichten von Schlafstörungen und Depressionen. Den eigenen Vater hat David schon in die Psychiatrie der nächsten Kreisstadt gefahren. Dort habe die Anstaltschefin die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, erzählt er. Sie müsse in letzter Zeit so viele Menschen aus Roşia Montană behandeln, was denn da los sei?

Gary O’Connor hätte ihr vielleicht geantwortet, es ist die Angst vor dem Unbekannten. Ioan Mera hätte wahrscheinlich erwidert, das Gold hat die Seelen der Menschen verschmutzt. Eugen David sagt: „Es ist der Terror.“

John Aston hat solche Sätze schon oft gehört. „Hi, guys“, lacht er aus einem Fenster des RMGC-Gebäudes auf den Dorfplatz hinunter, „ich bin ganz flott bei Euch“. Aston, groß gewachsen, mit kastanienbraunen Locken und einem sorgfältig gestutzten Bart, ist Umweltmanager der RMGC. „Mr. Blue Eyes“ nennen die Frauen in Roşia Montană den 32-Jährigen wegen seiner meerfarbenen Augen. „Ich werde immer dann gerufen, wenn Not am Mann ist“, beschreibt der Ire sein Job. Er hat Minenfirmen in Zimbabwe, Südafrika und in der Türkei beraten. Jetzt soll er der RMGC aus der Patsche helfen. „Die Menschen hier haben allen Grund, besorgt zu sein,“ gibt er sich verständnisvoll. „Aber sie werden von Leuten wie Eugen David in die Irre geführt.“ Aston hat eine Power-Point Präsentation vorbereitet. Die Grafiken lassen das Projekt harmlos, ja sogar absolut wünschenswert erscheinen. „Die RMGC räumt nicht nur die Umweltsünden der Minvest auf. Wir werden auch den historischen Dorfkern von Roşia Montană schützen, um den herum die Gruben entstehen sollen.“ Aston führt zu einem der historischen Häuser am Dorfplatz. Nur die Fassade steht von dem denkmalgeschützten Gebäude noch. „Das werden wir restaurieren“, verspricht er. Nach nur einer halben Stunde mit John Aston, erscheint die RMGC wie ein Wohltätigkeitsverein.

Und „ganz besonders am Herzen liegen uns aber die römischen Minenschächte“, setzt Aston am Ende noch einen drauf. Die RMGC hat bisher 80 Millionen Euro in die Vorbereitung ihres Projekts investiert. Fast die Hälfte davon ist in in die archäologischen Ausgrabungen geflossen, die das rumänische Gesetz vorschreibt. Seit vier Jahren buddelt deshalb Beatrice Cauuet in den 2000 Jahre alten Schächten, die die Römer rund um Roşia Montana hinterlassen haben. Die Französin gilt als eine der besten Minenforscherinnen der Welt. „Was ich gefunden habe, ist einmalig im Römischen Imperium,“ sagt sie, während sie gebückt durch kilometerlange, trapezförmige Gänge führt, die auch heute noch ohne jegliche Stützen halten. Wegen der Temperaturen zwischen 0 und 10 Grad Celsius trägt Cauuet Handschuhe und eine Wollmütze unter ihrem Helm. Über Holzleitern dringt sie immer tiefer in den Berg vor. Der Untergrund wird schlammiger und jeder Schritt mühsam. Wasser tropft unaufhörlich von der gelbbraunen Decke, es riecht nach stark nach Eisen. „Dies ist meine Lieblingsstelle.“ Cauuet macht halt, „die Römer haben hier eine Treppe mit 125 perfekt gearbeiteten Stufen in den Berg gehauen. Wir finden hier Öllampen und antike in Stein gehauene Arbeitsverträge. Es ist, als ob ich in einer Zeitung lesen würde. Einzigartig.“

Von Cauuets Urteil hängt es ab, ob die rumänische Regierung diesen Teil des Berges zur Sprengung freigibt. Doch die Französin weigert sich, klar Stellung zu beziehen. Das wird ihr von den Projektgegnern übel genommen, die behaupten, sie lasse sich vom Geld der RMGC korrumpieren. „Ich werde von allen Seiten bedrängt“, verteidigt sich Cauuet. „Mein Job besteht darin, die Schächte zu erforschen und zu dokumentieren. Dann können die Rumänen entscheiden, was sie damit machen wollen.“ Trotz ihrer ausgestellten Neutralität scheint Cauuet über ihre Schlüsselrolle Bescheid zu wissen: „Ich bin der Wurm im Apfel“, sagt sie. „Umso länger ich forsche und umso mehr Geld die RMGC ausgibt, desto unwahrscheinlicher wird die Mine.“

So ist auch dank Beatrice Cauuet eine absurde Situation entstanden: Eine Goldminenfirma gibt Millionen von Dollars aus, ohne ein einziges Gramm Gold zu fördern. Und ohne zu wissen, ob sie jemals das Schürfrecht erhalten wird. Rumäniens Premierminister Adrian Nastase hat bereits durchblicken lassen, dass er das Projekt nicht unterstützen wird. Politische Beobachter halten das allerdings für reine Wahltaktik kurz vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im November. Nastase möchte gerne Präsident werden. Würde er sich für das Projekt aussprechen, könnte ihm das eine Menge Stimmen kosten.

„Glauben Sie mir jetzt, dass wir nicht die Bad Guys in diesem Spiel sind?“ fragt John Aston. We do care!“ Der Ire hat gelernt, Zweifel zu zerstreuen. Und man glaubt ihm aufs Wort, wenn er sagt, dass die Mine und die Umwelt keine Feinde sein müssen. „In zwanzig Jahren wird hier ein fruchtbares Tal entstehen. Darauf kann man Golf spielen. Aber ich verstehe die Menschen. Sie fürchten sich. Es ist überall auf der Welt das gleiche, wo man Gold schürfen will.“

Stephanie Roth kommt in zerrissenen Hosen und Wanderstiefeln auf den Dorfplatz gerauscht. Einige Alte auf der Bank vor dem Lebensmittelladen grüßen sie, andere schauen weg. Roth ist 34, Schweizerin und professionelle Umweltaktivistin. sie wohnt im Büro von Alburnus Maior, das in einem windschiefen Bauernhaus untergebracht ist. An den Wänden hängen Karten der RMGC, an die sie „halt irgendwie“ geraten ist. Roth ist so etwas wie die Strategin von Alburnus Maior. „Meine beste Waffe ist ein Modem“, sagt Roth. „Wahrscheinlich haben sie mir deshalb das Telefonkabel zerschnitten. Und verprügelt haben sie mich auch.“ Per Internet ist es Roth gelungen, den Widerstand gegen die RMGC zu internationalisieren.

Alburnus Maior erhält nun Geld von Stiftungen aus Westeuropa und Nordamerika und gilt als größte Bürgerbewegung Rumäniens seit der Revolution von 1989. Vor zwei Jahren arbeitete Roth bereits für eine NRO, die erfolgreich einen Dracula-Themenpark in Sighişoara verhinderte, der Geburtsstadt des Grafen. In Roşia Montană schwebt ihr als Alternative zur Mine die Entwicklung des Tourismus und die Herrichtung der römischen Minenschächte als Attraktionen vor.

Roth attackiert die RMGC an ihrem schwächsten Punkt: der Aktienfinanzierung. In einem Rechenschaftsbericht von Gabriel Resources hatte sie Hinweise darauf gefunden, dass die Firma selbst an der Machbarkeit ihres Projekts zweifelte. Nach der Veröffentlichung rauschten die Aktien des kanadischen Unternehmens in den Keller. Gabriel Resources hatte vorher schon einen Kostenanstieg um 70 Prozent und eine Verzögerung des Baubeginns um mindestens zwei Jahre, frühestens für 2006, angekündigt. Die Anlegeberater von Merrill Lynch nannten Gabriel Resources daraufhin „den gefallenen Engel von Roşia Montană“. Die Weltbank zog einen versprochenen 250 Millionen Dollar Kredit zurück. Dann verließen letzten Herbst auch noch mehrere Top-Manager das Unternehmen. „Aus rein persönlichen Gründen“, wie John Aston beschwichtigt. Aber er gibt zu, dass Stephanie Roth einen „verdammt professionellen Job“ mache. „Sie hat alles, was man für eine erfolgreiche Kampagne braucht: Umweltthemen, soziale Themen und internationales Geld. Leider lügt sie. Das Gold wird die Gegend voran bringen.“

Als Stephanie Roht am verwilderten Bolzplatz im Tal vorbeigeht, fliegt ein Ball durchs netzlose Tor. Sie hält ihn fest. „Und du?“, fragt sie den herbeieilenden Fußballer. „Für oder gegen die Cowboys?“ Der hagere junge Mann verzieht das lange Gesicht. Roth reich ihm eine Zigarette. „Natürlich dafür“, sagt er. Paven Colin ist 25 Jahre alt, er ist verheiratet, hat einen dreijährigen Sohn und wohnt bei seinen Eltern auf dem Hof hinter dem Bolzplatz. Seit einem Jahr arbeitet er als Hilfsarbeiter in der geologischen Abteilung der RMGC. „250 Euro sind nicht zu verachten“, sagt er. Roth fragt, wie er es findet, dass alles zerstört wird. „Wir leben doch schon in einer Zone Mort“, erwidert er – einer toten Zone. „Die jungen Menschen haben keine Arbeit. Mein Vater produziert einen Liter Milch zu 55 Cent. Er verkauft ihn für 50 Cent. So will ich nicht leben.“ Ob er nicht Eugen David kenne, den erfolgreichen Bauern. „Was weiß denn der David schon? Ich respektiere die Gegner, kein Problem. Aber ich will dass die Mine gebaut wird. Ich will ein Haus, ein Harem und ein Auto.“

„Bună ziua“, grüßt Cioara Ileara und streckt beide Hände aus. Tag für Tag sitzt die 67-Jährige Dame mit dem streng nach hinten gekämmten Haar auf der Bank vor ihrem Haus und blickt auf das Schild der „Roşia Montană Gold Corporation“ am anderen Ende des Dorfplatzes. „Goldul“ nennt sie den Konzern – die Gold. Auch an ihrem Haus haben sie ein Schild angebracht. „Eigentum der RMGC“ heißt es dort gelb auf blau. „Ich hätte das Haus nie verkauft“, sagt Cioara. „Es stammt aus der Zeit der k.u.k. Monarchie. Ich wohne auch schon ein halbes Jahrhundert drin.“ Doch das kümmerte Cioaras Vermieter nicht. Er ließ sich von der RMGC auszahlen und ging fort. Seitdem überweist Cioara ihre Miete an die „Goldul“ und schämt sich für die Plakette auf ihrem Haus. „Die Nachbarn denken jetzt, ich hätte sie verraten, aber ich kann ja gar nichts dafür. Es ist das Gold, dass die Menschen verwirrt hat.“

Eines Nachts, vor vielen Jahren, sagte Cioara Ilearas Mann: Frau, ich werde bald sterben, aber vorher wollen wir noch unseren Lohn holen. Er packte einen Sack mit Dynamit und gemeinsam stiegen sie hinauf in die Berge zu einem alten Minenschacht. Cioara hatte Angst ins Dunkel zu gehen, doch ihr Mann kannte sich ja aus im Labyrinth der Berge. Er hatte jahrelang in Ceauşescus Mine geschuftet. Immer tiefen tasteten sie sich in den Berg vor, bis er Halt machte und die Sprengladung platzierte. „Wir fanden ein wenig Gold“, erzählt Cioara, „und wir brachten es zu den Zigeunern im Tal, die Ringe daraus machen sollten“. Wenige Tage später starb ihr Mann an einer Staublunge, keine fünfzig Jahre alt. Als der schlimmste Schmerz vorüber war, fuhr sie zu den Zigeunern, um den Schmuck zu holen. Doch die Polizei war schon da gewesen, hatte die Zigeuner verhaftet und das Gold beschlagnahmt. „So geht es denen, die dem Gold zu nahe kommen“, sagt sie.