Die Reise in das neue Amazonien beginnt östlich von Manaus an einem Fährhafen, dem Porto da Ceasa. Alle 15 Minuten laufen Schnellboote und Autofähren aus, überqueren den Amazonas, dessen andere Uferseite noch hinter morgendlichem Dunst verborgen liegt.
Bei der Fahrt über den Fluss sieht man Bohrschiffe des brasilianischen Ölkonzerns Petrobras. Immer wieder kommen auch Containerfrachter in Sicht, die auf dem Weg zur Freihandelszone von Manaus sind – oder schon wieder Richtung Atlantik ausfahren, um Motorräder, Computer und andere Elektrogeräte zu ihren Bestimmungsorten zu bringen.
Man wird am anderen Ufer von einem Marktplatz empfangen. Fressbuden reihen sich, es gibt Grillfleisch und Würstchen. Bier wird den Reisenden angeboten. Man kann auch gefälschte Markenschuhe kaufen und Plastikramsch aus China. Untermalt wird die Szenerie von der brasilianischen Country-Musik Sertanejo. Das alles hat nichts mit dem unberührten Paradies zu tun, das sich mancher immer noch unter dem Amazonas vorstellt. Vielmehr liegt hier ein Brückenkopf der vermeintlichen Zivilisation, die immer schneller und aggressiver in den Dschungel vordringt.
Hinter dem Markt beginnt die Überlandstraße BR-319, die 885 Kilometer durch den Dschungel führt, entlang von Rinderweiden, Feldern und Holzfällersiedlungen. Eine halbe Stunde fährt man über die BR-319, biegt auf die Landstraße AM-254 ab, stoppt nach einer Stunde an einem Anleger. Nun geht es in einem Motorboot weiter, das eine unüberschaubare Wasserlandschaft durchpflügt. Die Flüsse im Amazonasbecken sind um diese Jahreszeit um bis zu 18 Meter angestiegen, nur vereinzelt ragen Bäume aus den Fluten auf.
Irgendwann fährt das Boot in einen kleineren Fluss, an dessen Ufer Holzhäuser auf Stelzen stehen. Eins davon gehört Francisco Oliveira da Silva. Er ist der Kazike einer Gruppe von rund 500 Mura-Indios in der Gemeinde Taquara. Der 43-Jährige ist ein hagerer, kleingewachsener Mann mit besorgten Augen. Er trägt Jeans, ein grünes T-Shirt und Flipflops. „Ich habe wieder eine Morddrohung erhalten“, sagt er. „Sie kreisen uns ein.“
Oliveira meint die Büffelzüchter. Sie sind ein relativ neues Phänomen im Amazonas, machen sich besonders rund um das Städtchen Autazes breit, zu dessen Gemarkung Taquara zählt. Für die Viehhalter haben die Büffel einen großen Vorteil: Im Gegensatz zu den in Brasilien weitverbreiteten Zebu-Rindern macht es ihnen nichts aus, im Wasser zu stehen. Außerdem ist ihre Milch ergiebiger, sie enthält weniger Wasser und ist fetthaltiger. So sind die Büffel zur neuesten Mode unter den Viehzüchtern von Autazes geworden. Zum weiteren Leid der Umwelt und der Ureinwohner.
Francisco Oliveira erzählt, dass es früher in der Gegend dichten Wald gegeben habe, in dem die Mura jagten: Affen, Gürteltiere, Schweine. Aber dann seien Anfang der Nullerjahre die Büffel gekommen und seitdem werde immer mehr Dschungel niedergebrannt, um Weideflächen zu schaffen. „Die Waldtiere sind weg“, sagt der Kazike. Und mindestens genauso schlimm: Die Büffel urinieren und koten in die Flüsse und wühlen den Untergrund auf. „Die Fische verschwinden“, sagt Oliveira. „Unsere Kinder lassen wir nicht mehr ins Wasser. Sonst werden sie krank.“
Oliveira besitzt wie die meisten Mura einige kleine Felder, auf denen er Subsistenzwirtschaft betreibt. Er und seine Familie – er ist siebenfacher Vater – bauen Bananen, Maniok, Yams und die Amazonasfrucht Cupuaçu an. Aber immer wieder drängen Büffel in die Pflanzungen ein und trampelten alles nieder, erzählt er. Die Viehhalter würden dann sagen, er solle einen Zaun ziehen, aber das sei ja nicht seine Pflicht. Die Büffel seien außerdem so stark, dass sie alles umrissen. Das einzige was helfe, seien Elektrozäune, aber die seien teuer.
Dieses Jahr hat Oliveira die Konsequenzen gezogen und nichts mehr angepflanzt. Er lebt nun von Bolsa Familia, einem Regierungsprogramm, das armen Familien umgerechnet zehn Euro pro Kind zugesteht. Wegen der Situation hat sich der Kazike im Namen der Mura bei der Staatsanwaltschaft in Manaus über die Büffelhalter beschwert.
Diese reagierten auf ihre Art. „Der benachbarte Züchter hat meinem Bruder gesagt, dass er Killer auf mich ansetzen werde“, berichtet Oliveira. „Und vor einigen Tagen kam das hier!“ Oliveira zeigt eine Vorladung zur Polizei in Autazes, ein Grund ist nicht angegeben. Aber jemand hat ihn informiert, dass auf der Wache mehrere Büffelzüchter warteten und irgendwelche Vorwürfe gegen ihn fabriziert würden. „Alle stecken unter einer Decke“, sagt Oliveira. Der Bürgermeister gehört zu einer Familie von Viehbauern. „Ich gehe da nicht hin!“
Stattdessen will Oliveira nun mit einer Vertreterin des Indigenen Missionsrats der katholischen Kirche (Cimi) nach Manaus fahren. Sie will seine Aufnahme in ein Schutzprogramm für Menschenrechtler beantragen. „Die Öffentlichkeit ist meine beste Verteidigung“, sagt der Kazike.
Oliveira und seine Mura haben nicht mehr viel gemein mit dem Klischee vom halbnackten, fern der Zivilisation lebenden Amazonas-Ureinwohner. Sie leben in ständigem Kontakt mit den Weißen, sie kleiden sich wie sie, benutzen Handys, fahren in Kanus mit Außenbordern, nehmen Aspirin, trinken Cola und essen Hühnchen mit Reis mit Bohnen. Und obwohl viele Mura ihre Sprache noch sprechen, beherrscht Kazike Oliveira sie nicht mehr. In seinem Haus gibt es einen Fernseher und eine Waschmaschine, beide sind zurzeit kaputt.
Es sind andere Dinge, die für Oliveira die Identität als Ureinwohner ausmachen. „Unsere Feste“, sagt er. „Unsere Gemeinschaft, unsere Art mit dem Wald zu leben und zu wirtschaften. Wir sind nicht angestachelt von dem Gedanken, immer mehr anhäufen zu müssen.“ Wie Oliveira betreiben die meisten Mura in Taquara kleinbäuerliche Landwirtschaft, sie gehen jagen und fischen. Doch je weiter ihre Territorien schrumpfen und der Wald vernichtet wird, umso weniger geht das noch. Der Kampf der Mura gegen die Büffel ist somit nicht nur ein Kampf gegen die Umweltzerstörung, sondern auch um ihr kulturelles Überleben.
Dabei gibt es ein großes Problem: Taquara gilt zwar als traditionelles Mura-Territorium, ist aber vom Staat nicht als indigenes Land, als Terra Indígena (TI), ausgewiesen. Wäre es das, hätten die Mura laut brasilianischer Verfassung eine Art Autonomie und die Büffelzüchter müssten verschwinden. So aber haben die Mura keine rechtliche Handhabe gegen die schleichende Landnahme.
Francisco Oliveira steigt in ein kleines Motorboot und fährt stromaufwärts. Immer wieder reichen Büffelweiden bis ans Wasser heran. Das ist illegal, denn das brasilianische Waldgesetz besagt, dass Flussufer in Amazonien nicht entwaldet werden dürfen. Je nach Breite des Stroms muss ein Streifen von mindestens 30 Metern Vegetation stehen bleiben. Es scheint, als ob hier, fernab der Hauptstadt Brasília, ganz eigene Gesetz gelten.
Nach 15-minütiger Fahrt hält Oliveira, steigt einen Hang hinauf, der von Büffelklauen durchfurcht ist. Oben breitet sich eine Graslandschaft aus, Tausende verkohlte Baumstümpfe ragen auf, dazwischen grasen einige Büffel. Nach wenigen Minuten taucht eine große Herde der mächtigen Tiere am anderen Ende der Weide auf, vielleicht 150 Stück Vieh. Sie werden von mehreren Hirten auf Pferden getrieben. Oliveira duckt sich, er möchte nicht gesehen werden. „Sie könnten sonst behaupten, ich wäre illegal eingedrungen“, sagt er. „Aber ich habe hier früher Tapire gejagt. Die Invasoren sind sie.“
Das Aufeinanderprallen zwischen den Mura und den Büffelhaltern ist einer von Tausenden Konflikten, die sich derzeit an allen Ecken und Enden der brasilianischen Amazonasregion abspielen. Von überall her rücken Goldsucher, Minenkonzerne, Holzfäller, Rinderzüchter und Agrarbetriebe in den Wald vor. Mit ihnen kommen Straßen, Landepisten und Siedlungen, die mit der Zeit zu Kleinstädten werden.
Man kann die Situation mit der im Wilden Westen des 19. Jahrhunderts vergleichen. Der Amazonas ist Brasiliens Frontier, die Stück für Stück vom Weißen Mann erschlossen wird. Dabei dient sie auch als Ventil für die sozialen Probleme des Landes. Dies begann schon in den 1960er Jahren, als die Militärdiktatur die arme Landbevölkerung aus dem Süden ermutigte, im Norden neu anzufangen. Sie verkaufte ihnen Land zu Spottpreisen unter dem Motto: „Land ohne Menschen für Menschen ohne Land.“ Der Spruch findet bis heute ein Echo bei Kleinbauern und Landlosen aus dem trockenen Nordosten. Der scheinbar unendliche Wald ist für sie eine Ressource, die es auszubeuten gilt. Dabei stören die Indigenen und der Umweltschutz natürlich.
Es gibt in Brasilien strenge Gesetze zum Schutz der Natur und der Ureinwohner. Aber die besten Gesetze nützen nichts, wenn sie nicht durchgesetzt werden. Bei dieser Aufgabe hat der Staat ein ganz simples, logistisches Problem: die schiere Größe der Amazonasregion. Der Staat kann nicht überall sein, und so ist er schon in Taquara, das nur zweieinhalb Reisestunden südlich von Manaus liegt, vor allem: abwesend. Das nutzen die Büffelzüchter seit Jahren aus und schaffen Fakten. Sie besetzen Land, roden Bäume, lassen Vieh grasen, schaffen Infrastruktur und Arbeitsplätze. Sie bringen das, was man gemeinhin unter wirtschaftlichem Fortschritt versteht. So spalten sie auch die Indigenen. Einige von ihnen verpachten ihr Land an Viehhalter oder arbeiten für sie. Ein Bruder von Francisco Oliveira ist Büffelhirte. Er sagt, er verdiene so mehr als mit Jagen und Fischen. Wovon solle er denn das Benzin für seinen Außenborder bezahlen, seine Handyrechnung und die Kleidung für die Kinder?
Die Lokalpolitik wiederum wird wie in Autazes meist von den Großbauern bestimmt, die kein Interesse an einer Einmischung des Bundes haben, etwa der Umweltbehörde Ibama. Sie kontrollieren auch die örtliche Polizei und häufig die Medien.
All das war auch schon unter den linken Regierungen von Lula da Silva und Dilma Rousseff so. Trotzdem nahm die Entwaldung der Amazonasregion zwischen 2004 und 2012 signifikant ab: von 27.000 gerodeten Quadratkilometern auf 4.500 Quadratkilometer. Dafür waren soziale Faktoren aber auch die Satellitenüberwachung verantwortlich, mit der man schnell neue Rodungen erkennen konnte.
All das änderte sich in Rousseffs zweiter Amtszeit, als Brasilien in die Rezession abrutschte – und verschlechterte sich rapide unter Präsident Michel Temer. Mit der Wahl des rechtsextremen Jair Bolsonaro droht nun eine Katastrophe. Er will das Projekt der Militärs vollenden und sagt ganz offen: „Wir werden den Amazonas ausbeuten. Er gehört uns.“ Was er von den Reservaten der Ureinwohner hält, hat er getwittert: „Mehr als 15 Prozent des nationalen Territoriums ist als Indigenes Land oder als Land der Nachkommen von Sklaven ausgewiesen. Weniger als eine Million Personen lebt an diesen isolierten Orten, weit entfernt vom richtigen Brasilien und manipuliert und ausgebeutet von NGOs.“
Das totalitäre Denken Bolsonaros wird deutlich, wenn er vom „richtigen Brasilien“ spricht. Es sind für ihn die Holzfäller, Goldsucher und Bauern. Die Ureinwohner mit ihrem Bestreben zur Nachhaltigkeit lebten demnach im falschen Brasilien. Bolsonaro hat sie bereits mit „Zootieren“ und „prähistorischen Menschen“ verglichen, deren Reservate den Fortschritt aufhielten.
Konsequenterweise hat der Präsident bei seinem Amtsantritt am 1. Januar alle Anerkennungsprozesse für neue Indigenen-Reservate stoppen lassen. Mehrfach hat er versucht, die Verantwortung für die Reservate von der Indio-Behörde Funai auf das Agrarministerium zu übertragen – der Kongress hat das jedoch abgelehnt. Nichtsdestotrotz hat Bolsonaro mit Marcelo Xavier da Silva einen erklärten Feind der Indigenen zum neuen Chef der Indiobehörde Funai gemacht. Er ist Polizist und hat enge Verbindungen zur Agrarindustrie.
Ebenso hat Bolsonaro die ihm verhassten Umweltbehörden Ibama und ICMBio entmachtet und Führungspositionen mit Militärs besetzt. Strafaktionen des Ibama gegen illegale Holzfäller hat er abbrechen lassen und in einem Fall sogar seinen Umweltminister Ricardo Salles zu den Holzfällern geschickt, um sich zu entschuldigen. Salles nannte die Holzfäller, die Bäume in einem Indigenen-Reservat schlugen, „gute Bürger, die produzieren“. Im Juni schrumpfte die Regierung dann rund 70 Waldschutzgebiete zusammen, damit neue Straßen gebaut werden können.
Internationale Kritik tut Bolsonaro als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Brasiliens ab, so wie gerade erst vor den Vereinten Nationen. Den Europäern, insbesondere den Deutschen und Franzosen wirft er vor, dass sie ihre Umwelt dezimiert hätten und nun Brasilien diktieren wollten, wie es mit seinen natürlichen Ressourcen umzugehen habe. Er sei zwei mal über Europa geflogen und habe dabei keinen Quadratkilometer Wald mehr gesehen, sagte er. Als „Öko-Schiiten“ beschimpft Bolsonaro Umweltaktivisten gerne. Den Klimawandel hält er für eine Erfindung seiner Erzfeinde, der Linken.
„Wir haben Angst“, sagt Kazike Francisco Oliveira. „Bolsonaro will mit den Indios Schluss machen. Die Viehzüchter glauben jetzt, sie könnten alles machen.“
Tatsächlich fühlen sich viele der „guten Bürger“ offenbar von Bolsonaro ermutigt. Das Forschungsinstitut Inpe stellte alleine für August 2019 eine Zunahme der Rodungen im Amazonas um 222 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat fest. Bolsonaro nannten die Zahlen „Lügen“ und behauptete der Inpe-Direktor arbeite im Auftrag irgendeiner NGO. Tatsache ist, dass sich die Situation bereits seit einigen Jahren graduell verschlechtert. 2018 wurden rund zwölf Millionen Hektar abgeholzt, 30 Fußballfelder pro Minute – so viel wie seit 2008 nicht mehr. Dieser Wert dürfte dieses Jahr stark übertroffen werden. Die Alarmsignale sind nicht zu übersehen: Mitte Juli meldete Mongabay, eine gut informierte Seite für Umweltnachrichten, dass rund 20.000 illegale Goldgräber in den Yanomami-Park eingedrungen seien, eins der größten indigenen Reservate Brasiliens. Die Goldsucher seien gut ausgerüstet, heißt es, sie hätten Bagger und Kleinflugzeuge und offenbar finanzstarke Hintermänner.
Auf dem Weg nachhause sagt Kazike Oliveira, dass er den Wald und die Tiere vermisse. Er hat das Angebot eines Viehzüchters abgelehnt, ihm seine 80 Hektar Land abzukaufen. Es ist der Viehzüchter, der ihn mit dem Tod bedroht hat. „Wir wollen in Frieden leben“, sagt er. „Auf unsere Art!“
„Das sind doch gar keine Indios“, behauptet Manoel Maia und blickt unter dunklen Augenbrauen ernst drein. Er ist der Präsident der Kooperative der Milchproduzenten der Region Autazes (Cooplam). Sie hat ihren Sitz in dem Städtchen Vila do Novo Céu rund 30 Kilometer nördlich von Taquara. Vor fünf Jahren eröffnete die Kooperative hier eine Käsefabrik, in der Büffel- und Kuhmilch verarbeitet werden. „Wir verkaufen unsere Produkte auf Märkten in Manaus“, sagt Maia, der 39 Viehbauern vertritt und betont, dass er nicht für alle Viehzüchter der Region sprechen könne.
Der 60-jährige Maia ist ein rundlicher Typ mit schlohweißen Haaren, er kommt gerade von der Weide, seine Füße stecken noch in Gummistiefeln. Er führt durch die Versammlungshalle der Kooperative, in der Spruchtafeln von der Decke hängen: „Der Sieg ist mit den Beharrlichen!“ In seinem Büro liegen auf dem Schreibtisch die verschiedenen Käsesorten aus, die die Kooperative herstellt, darunter Büffelmozzarella. Er selbst habe 190 Stück Vieh, sagt Maia, 120 Rinder und 60 Büffel. Sie grasten auf Weiden, für die seine Familie 100 Jahre alte Landtitel besitze. Er sei das jüngste von 21 Kindern eines portugiesischen Immigranten und einer armen Brasilianerin aus dem Nordosten. „Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben“, sagt er.
Maia ist kategorisch, wenn es um den Landkonflikt mit den Mura gehe. „Er existiert nicht“, sagt er. „Kein Landwirt aus unserer Kooperative ist auf Mura-Land. Wir sind für ein gutes Miteinander.“ Das stimmt allerdings nicht. So liegt die Cooplam-Käsefabrik auf Land, von dem die Mura aus dem benachbarten Dorf Murutinga sagen, dass es zu ihrem traditionellen Territorium gehöre. Rund 2000 Indigene leben in Murutinga. Schon seit Jahren wehren sie gegen die immer weitere Ausdehnung der Büffelweiden und fordern die Ausweisung einer Terra Indígena. Aber der Prozess kommt nicht voran. Und so nutzen die Viehhalter auch hier die Ungewissheit aus und schaffen Fakten.
Maia kommt dann zu seinem Lieblingsargument. „Viele von denen sind keine richtigen Indios. Sie wurden von NGOs geschickt, um Ärger zu machen.“ Man hört diese Behauptung neuerdings immer öfter in Brasilien, auch Vizepräsident General Hamilton Mourão hat sie schon geäußert. Dahinter steckt ein einfacher Gedanke: Wenn es keine Indigenen gibt, gibt es auch keine Ansprüche auf Reservate mehr. Denn vor nichts fürchten sich viele Bauern mehr als vor der Ausweisung eines Schutzgebiets. Sie verlieren dann entschädigungslos alle Ansprüche auf ihr Land. Diese Sorge hat die Bolsonaro-Regierung ihnen nun vorerst genommen.
Für Brasiliens Ureinwohner bedeutet die neue Politik hingegen vor allem eins: Unsicherheit und Angst. „Ich fürchte, dass es bald keinen Wald mehr in Taquara gibt“, sagt der Kazike Francisco Oliveira. „Und ohne Wald gibt es auch keine Mura mehr.“ Vor wenigen Wochen wurde er in das Schutzprogramm für Menschenrechtler aufgenommen.
– Die Recherche würde möglich gemacht durch das Bischöfliche Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat.