Seine Regierung soll anders sein, das macht Jair Bolsonaro schon bei seiner ersten Pressekonferenz klar. Der kommende brasilianische Präsident gibt sie hinter einem Surfbrett stehend, auf das die Reporter ihre Mikrofone gelegt haben.
Sie drängen sich in die Garage von Bolsonaros Haus in Rio de Janeiro, um sie herum stehen Fahrräder und anderer Hausrat. Die Geste Bolsonaros soll sagen: Ich bin einfach und volksnah. Dazu passt, dass man ihn seit Tagen im Freizeitlook sieht, in T-Shirts und offenen Hemden und immer ohne Krawatte.
Und noch etwas ist anders: Print-Journalisten sind von der Pressekonferenz ausgesperrt, sie stehen perplex vor der Einfahrt zu Bolsonaros Haus. Sein Pressemann macht Platzgründe verantwortlich, Bolsonaro selbst sagt, die Entscheidung nicht getroffen zu haben.
Aber es ist ein klares Signal des Rechtsextremen: Ich werde mich, wie Donald Trump, über die sozialen Netzwerke und das Fernsehen mitteilen. Es wirkt auch wie eine Warnung. Wer mich kritisiert, wird geschnitten. Schon zuvor hatte Bolsonaro angedeutet, dass die Zeitung „Folha de S. Paulo“ keine Anzeigen mehr von staatlichen Firmen wie der Post oder einigen Banken bekommen könnte. Für viele brasilianische Print-Organe sind diese Anzeigen lebenswichtig. Die „Folha de S. Paulo“ hatte vor der Wahl mehrere Reportagen über Bolsonaro gebracht, die sein Image als Saubermann beschädigten.
Eine Woche ist seit der Wahl Bolsonaros vergangen, der am 1. Januar sein Amt in Brasília antritt Während das linke Brasilien immer noch geschockt ist über den Sieg des Rechtsaußen, der die Militärdiktatur verherrlicht, hat Bolsonaro begonnen, zu regieren. Besonders eine Personalie sorgte dabei für Diskussionen. Die geplante Ernennung des Untersuchungsrichters Sérgio Moro zum neuen Superminister für Justiz und Öffentliche Sicherheit. Moro leitet seit 2014 die Untersuchung im gigantischen Korruptionsskandal rund um den Ölkonzern Petrobras. Sie wurde unter dem Codenamen Lava Jato (Autowaschanlage) weltberühmt. In Brasilien gilt Moro deswegen bei vielen als unbestechlicher Held, ein Supermann des Rechts, der furchtlos gegen die Korruption kämpft.
Aber Moro ist nicht unumstritten. Besonders problematisch: sein Urteil gegen Ex-Präsident Lula da Silva, der seit April eine zwölfjährige Gefängnisstrafe wegen Korruption absitzt. Denn Moros Urteil erleichterte Bolsonaros Wahlsieg. Hätte Lula zu den Präsidentschaftswahlen noch einmal antreten dürfen, hätte er gute Chancen gehabt, zu siegen. So sagten es alle Umfragen voraus. Dass Moro jetzt also einen Posten unter einem Präsidenten annimmt, dessen Opponent er vor der Wahl ins Gefängnis steckte, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
Unter Umweltschützern führte eine andere Entscheidung Bolsonaros zu kurzzeitiger Erleichterung. Er verwarf den Plan, das Umweltministerium dem Agrarministerium zu unterwerfen. Nicht etwa, weil er mit einem Mal den Umweltschutz für sich entdeckt hätte, sondern weil die mächtige Agrarindustrie warnte, dass das Vorhaben ihre Exporte beschädigen könnte. Die empfindlichen Europäer könnten Ärger machen, wenn Umweltstandards gesenkt würden, so die Furcht der Großbauern. Dennoch betonte Bolsonaro, dass der neue Umweltminister „kein Shiit“ sein werde. Die Umwelt dürfte dem Fortschritt nicht im Wege stehen.
Tatsächlich wird Bolsonaros Umweltpolitik von Umwelt- und Klimaschützern in aller Welt mit Furcht erwartet. Mehrfach hat er angedeutet, den Amazonas zur wirtschaftlichen Ausbeutung freizugeben, worauf die Agrar- und die Minenindustrie drängen. In Brasilien befindet sich rund die Hälfte aller weltweit geschützten Flächen, fast ein Drittel des Landes zählt dazu. Dennoch hat die illegale Abholzung des Amazonaswaldes in den vergangenen Jahren wieder erschreckende Ausmaße erreicht.
Bolsonaro hat seine feindliche Rhetorik gegenüber Minderheiten wie Homosexuellen zuletzt gemäßigt. Aber von seinen radikalen Vorhaben ist er nicht abgerückt. So drängt er darauf, dass das Parlament noch dieses Jahr über sein Vorhaben abstimmt, den Waffenbesitz stark zu erleichtern. So sollen die Brasilianer sich besser gegen Kriminelle wehren können. Zwar sagen Sicherheitsexperten, dass die Gewalt durch die Liberalisierung weiter anstiege, dennoch stehen die Chancen gut, dass ein Bolsonaro geneigtes Parlament das Vorhaben verabschiedet.
Auf außenpolitischem Feld signalisiert Bolsonaro einen Schulterschluss mit US-Präsident Donald Trump. Er twitterte, dass er Brasiliens Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen wolle – so wie es Trump mit der US-Botschaft getan hat. Für Verwirrung sorgte unterdessen der kommender Verteidigungsminister. Der Reserve-General Augusto Heleno sagte, dass die Sicherheitsdienste ein geplantes Attentat gegen Bolsonaro aufgedeckt hätten. Es handle sich um Terrorismus. Weiter Angaben machte Heleno nicht. Der kommende Präsident Brasiliens hält das Land bereits jetzt in Atem.