Es ist üblich, dass beim Start von Schwimmrennen Ruhe herrscht, auch bei den Olympischen Spielen. Die Schwimmer müssen sich konzentrieren, dürfen das Startsignal nicht verpassen. Doch das wusste der brasilianische Fernsehkommentator Galvão Bueno offenbar nicht.
Foto: Morio – Obra do próprio, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11389337
Der 66-Jährige, mit tiefer Stimme ausgestattet, kommentierte einfach weiter, als die Schwimmer bei einem Rennen ihre Positionen auf den Startblöcken einnahmen. Der Start wurde abgebrochen. Ein BBC-Reporter neben Galvão auf der Pressetribühne sagte, dass der brasilianische Kollege mal die Klappe halten solle – „he needs to shut up“.
In Brasilien sorgte das für Belustigung. Galvão ist so etwas wie der Heribert Fassbender des brasilianischen Sports – mit dem Unterschied, das Fassbender wusste wann man aufhört. Galvão aber kommentiert seit Jahren jedes sportliche Großereignis für Globo TV. Nicht, weil er besonders originell, witzig oder kenntnisreich ist. Sondern weil er keine Konkurrenz hat. Sein Arbeitgeber, der konservative Globo-Konzern, hält eine Art Medienmonopol in Brasilien. Die brasilianischen Zuschauer werden gezwungen, ihn zu ertragen.
Die Selbstherrlichkeit Galvãos bei den Schwimmwettbewerben kann als symptomatisch für die Rolle des Globo-Konzerns bei den olympischen Spiele in Rio gelten. Der Konzern, der in Rio sitzt, ist für die Brasilianer der Hauptvermittler der Spiele. Globo besitzt 122 Fernsehstationen, mehr als 80 Radiosender, 15 Zeitschriften und vier Tageszeitungen. Jeden Tag wird Globo TV von 91 Millionen Menschen eingeschaltet, fast die Hälfte der brasilianischen Bevölkerung.
Wie zur Untermauerung seines Machtanspruchs hat der Sender sein Olympiastudio mitten in den Olympischen Park gebaut. Alle anderen nationalen oder internationalen Senderstudios liegen außerhalb des OIympiageländes. Das Privileg kam für Globo mit dem Kauf der Übertragungsrechte für die Spiele. Damit ist Globo TV so etwas wie der offizielle Olympia-Sender. Und in der Folge auch von der Steuerzahlungen in Verbindung mit den Spielen befreit. Zu dieser durch Sondergesetze garantierten Ausnahme zwingt das Internationale Olympische Komitee die jeweiligen Gastgeberländer. Es bedeutet, dass einer der größten Medienkonzerne der Welt – der von der Organisation Reporter ohne Grenzen für seine manipulative Berichterstattung scharf kritisiert wird – noch mehr Profit auf Kosten der brasilianischen Öffentlichkeit macht.
Die Globo-Gruppe wird während der Spiele umgerechnet 400 Millionen Euro mit Werbung einnehmen, wie der Blogger des Internetportals UOL, Rodrigo Mattos, schreibt. Ganz offenbar möchte Globo seinen Kunden kein negatives Werbeumfeld bieten und berichtet daher extrem wohlwollend über die Spiele. Hatte man vor Beginn des Ereignisses noch ab und zu über Bauverzögerungen und Planungspannen gesprochen, so ist Globo mit der Eröffnungsfeier in den Jubelmodus übergegangen. In der Globo-Welt ist Rio eine heile Olympiastadt voller Friede, Freude und Versuchungen. Als Beweis dienen die Aussagen einzelner Sportler oder Touristen, die von Rio und den Spielen schwärmen. Dass es täglich irgendwo zu Überfällen kommt, oder dass seit Beginn der Spiele laut Amnesty International mindestens 14 Menschen bei Polizeiaktionen in den Favelas von Rio getötet wurden, verschweigt man. Stattdessen schickt Globo seine Reporter ins Olympische Dorf, um über den Boom der Datingapp Tinder zu berichten.
Globo kreiert täglich die kleinen Dramen und großen Helden, von denen die Olympischen Spiele leben. Die Zeitung des Konzerns, „O Globo“, das größte Blatt in Rio, macht täglich groß mit Sport auf. Wenn ein Brasilianer eine Medaille gewonnen hat, widmet man ihm die gesamte Titelseite. Doch dass die Brasilianer bisher enttäuschend im Medaillenspiegel abgeschnitten haben, spielt ebenso wenig eine Rolle wie die vielen Fehlplanungen dieser Spiele, etwa die extrem weiten Wege, die die Zuschauer zurücklegen müssen.
Selbstredend wird bei Globo auch nicht über olympische Korruption gesprochen, etwa beim widersinnigen Bau des olympischen Golfplatzes. Für Globo wird es zur witzigen Anekdote, dass auf dem Golfplatz häufig wilde Tiere gesichtet werden: Wasserschweine, Schlangen, Krokodile, Faultiere. Dabei bedeutet ihr Auftauchen, dass die Tiere durch den Golfplatzbau ihre natürliche Habitat verloren haben und orientierungslos sind. So berichteten es Umweltschützer der BBC. Und während ausländische Sender die junge Leute interviewen, die vor dem Golfplatz demonstrieren, laufen die Globo-Reporter achtlos vorüber. Globo präsentiert den Brasilianern hygienische Spiele. Man kann es fast schon Zensur nennen.