Die Chemie stimmte im Oval Office des Weißen Hauses. Donald Trump und Jair Bolsonaro klopften sich anerkennend auf die Schultern und beschenkten sich mit Fußballtrikots.
Foto: Palácio do Planalto
Der Austausch der Nettigkeiten zwischen dem US-Präsidenten und Brasiliens neuem Staatsoberhaupt gipfelte in Bolsonaros Statement, dass er fest daran glaube, dass Trump 2020 wiedergewählt werde. Das amerikanische Volk werde sich richtig entscheiden.
Das erste offizielle Treffen der beiden umstrittenen Präsidenten markiert den Beginn einer neuen rechtskonservativen Allianz auf dem amerikanischen Kontinent. Die Kolosse USA und Brasilien, die viele Jahre lang geopolitische Rivalen waren, wollen enger zusammenzuarbeiten. Klar ist allerdings auch, dass die Annäherung einzig den persönlichen Sympathien der beiden Männer geschuldet ist – und auch deswegen voller Widersprüche steckt.
Bolsonaro hat aus seiner Bewunderung für den US-Präsidenten nie einen Hehl gemacht. Er fühlt sich Trump verbunden, weil er wie dieser als krasser Außenseiter ins höchste Staatsamt gelangt ist. Seinen Wahlkampf kopierte er von Trump und führte ihn fast ausschließlich über die sozialen Netzwerke. Wie Trump neigt Bolsonaro zur Beschimpfung von Andersdenkenden und den Medien. Außerdem hat er ein zerrüttetes Verhältnis zur Wahrheit und polarisiert lieber als dass er zusammenführt. Nicht umsonst trägt Bolsonaro den Spitznamen „Tropen-Trump“.
Über den US-Präsidenten wiederum ist bekannt, dass er am liebsten mit jenen Regierungschefs zusammenarbeitet, die ihm schmeicheln. Außerdem scheint er großen Respekt vor autoritären Herrschern zu haben, etwa Wladimir Putin und Mohammed bin Salman. Bolsonaro passt als ehemaliger Offizier, der die Militärdiktatur sowie die außergerichtliche Erschießung von Kriminellen verteidigt, in dieses Schema.
Trump und Bolsonaro vereint zudem ihre fast schon pathologische Ablehnung des Sozialismus. Bei ihrer kurzen Pressekonferenz vor dem Weißen Haus sagte Trump mit Blick auf Kuba, Nicaragua und Venezuela: „Die letzte Stunde des Sozialismus in unserer Hemisphäre hat geschlagen. Bolsonaro pflichtete ihm bei: „Die USA und Brasilien sind verbrüdert im Glauben an Gott und in der Ablehnung der Gender-Ideologie, der politischen Korrektheit und von Fake News.“ Die Sozialisten hätten kurz davor gestanden, die Macht in Südamerika zu übernehmen, so Bolsonaro. Aber sein Wahlsieg, der im Übrigen ein Wunder sei, habe dies verhindert.
Ganz oben auf der Agenda zwischen Trump und Bolsonaro stand folglich Venezuela, das von einer korrupten sozialistischen Clique beherrscht wird, die das Land zugrunde gerichtet hat. Trump machte erneut klar, dass er eine militärische Lösung der Krise nicht ausschließe, alle Möglichkeiten würden erwogen. Beobachter spekulierten, ob Trump Bolsonaro um logistische Hilfe für eine mögliche Invasion gebeten habe. Bolsonaros zweideutige Aussagen im Anschluss an das Treffen verstärkten diesen Verdacht. Es gebe Dinge, über die er nicht in der Öffentlichkeit sprechen könne, sagte er.
Sollte Bolsonaro den USA tatsächlich Unterstützung zugesichert haben, hätte er dies jedoch gegen den Willen seiner Militärs getan. Vize-Präsident General Hamilton Mourão, der überraschend die Rolle des Feuerwehrmanns in der Regierung übernommen hat, wenn Bolsonaro wie so oft übers Ziel hinausschießt, schloss logistische Hilfe für die USA kategorisch aus. Brasiliens Militär hat keine kriegerische Tradition; zudem sehen Brasiliens Militärs den Kurs Bolsonaros gegenüber den USA skeptisch. Für sie sind die USA weiterhin ein geostrategischer Rivale, etwa wenn es um den Zugriff auf das Amazonasbecken geht, in dem reichhaltig Bodenschätze vermutet werden.
Trump unterbreitete Bolsonaro weitere, teils seltsame Vorschläge. So sei er offen dafür, Brasilien in die NATO aufzunehmen oder als Verbündeten anzuerkennen. Als südamerikanisches Land ist Brasilien eigentlich nicht qualifiziert, dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis beizutreten. Als Verbündeter hätte Brasilien jedoch privilegierten Zugang zum Erwerb amerikanischer Waffen. Handelte es sich bei Trumps Vorschlag also um den Versuch, der US-Waffenindustrie einen weiteren Vorzugskunden zuzuführen?
Weiterhin will Trump, dass Brasilien die Handelsvorteile aufgibt, die es als Entwicklungsland bei der Welthandelsorganisation (WTO) genießt. Im Gegenzug würde er die Aufnahme Brasiliens in die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) unterstützen, in der die reichsten Nationen der Welt versammelt sind. Bolsonaro zeigte sich gegenüber diesem Vorschlag Trumps offen, obwohl gar nicht klar ist, was Brasilien dabei gewänne.
Bolsonaro machte weitere Zugeständnisse. So garantierte er US-Bürgern bei der Einreise nach Brasilien Visafreiheit – ohne dafür im Gegenzug Visafreiheit für Brasilianer auszuhandeln. Und er unterzeichnete ein Abkommen, in dem Brasilien seinen Weltraumbahnhof Alcantara den USA für kommerzielle Raketenstarts zur Verfügung stellt. Alcantara liegt im nordöstlichen Bundesstaat Maranhão. Wegen seiner Nähe zum Äquator benötigen Trägerraketen von hier aus weniger Treibstoff als von anderen Startplätzen. Offenbar will Brasilien dem europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana Konkurrenz machen.
Unterm Strich blieb der Eindruck, dass Trump Bolsonaro über den Tisch gezogen hat. Brasiliens Opposition schäumte nach dem Treffen denn auch über Bolsonaros Unterwürfigkeit und den Ausverkauf brasilianischer Interessen. Sogar die konservative Zeitung „O Globo“ schrieb in einem Kommentar, dass Partnerschaft mit den USA nicht gleich Kniefall bedeute. Bolsonaro sei von seiner ideologisch motivierten Bewunderung für die USA geblendet.
Tatsächlich sind Brasilien und die USA alles andere als natürlichen Verbündete. Auf wirtschaftlicher Ebene sind sie starke Rivalen. Beide Länder gehören zu den weltgrößten Exporteuren von Soja, Mais, Orangensaft, Rindfleisch, Hühnerfleisch und zahlreichen anderen Agrarprodukten. Insbesondere beim Export nach China machen sie sich Konkurrenz. Bolsonaros kritische Äußerungen gegenüber China – er beschimpfte das Land als „ideologischen Partner“ der linken Vorgängerregierungen – sorgten in Peking für Verstimmung. Die chinesische Führung deutete an, dass man sein Soja nicht in Brasilien kaufen müsse. Es war schließlich Vizepräsident Mourão, der die wahrscheinlichen Herzinfarkte unter Brasiliens Sojabauern verhinderte und den Chinesen versicherte, dass alles nicht so gemeint sei.
Für Verwunderung sorgte in Washington schließlich auch, dass Bolsonaro seinen Sohn Eduardo zum Vier-Augen-Gespräch mit Trump mitnahm. Zwar ist Eduardo Bolsonaro Vorsitzender des Außenausschusses im brasilianischen Parlaments, dennoch fragten Beobachter, was eigentlich Außenminister Ernesto Araújo machte. „O Globo“ riet Araújo wegen des Affronts zum sofortigen Rücktritt.
Die große Rolle, die Bolsonaro seinen Söhnen zubilligt, sorgt in Brasilien für Verwunderung und Nepotismusvorwürfe. Für Bolsonaro ist es nur eine weitere Parallele zu seinem Idol Donald Trump. Auch dieser gewährte Tochter Ivanka und ihrem Ehemann Jared Kushner große Mitsprache in Regierungsbelangen. „Wir haben auch viele gemeinsame Probleme“, versuchte Bolsonaro zu scherzen, „zum Beispiel unsere fünf Kinder“.