Vor den wenigen Tankstellen Brasiliens, die noch Benzin haben, bilden sich lange Schlangen, der Treibstoff ist rationiert, meist auf zehn Liter pro Kunde.
In vielen Städten des Landes fahren nun so gut wie keine Autos mehr, der Busverkehr ist drastisch eingeschränkt und auch Taxis sind kaum mehr zu finden. Gleichzeitig streichen die Fluggesellschaften einen Flug nach dem anderen, und in den Supermärkten haben Hamsterkäufe die Regale leer gefegt. Zum Wochenende neigten sich dann sogar in vielen Restaurants und Bars die Essens- und Getränkevorräte dem Ende zu. Frischfleisch war nur noch schwer zu bekommen, weil die Schlachthäuser nicht mehr liefern können.
Brasilien steht nach sieben Tagen eines landesweiten Streiks der Lastwagenfahrer fast still. Vergangenen Montag hatten die Trucker begonnen, ihre Lkw auf wichtigen Verkehrsadern abzustellen und so den Verkehr blockiert. Kaum etwas kommt seitdem noch durch. Der Protest der Fahrer richtete sich gegen die hohen Dieselpreise, die seit 2017 kontinuierlich und in den vergangenen Wochen drastisch gestiegen sind, auf derzeit umgerechnet 0,80 Euro.
Die Forderung der Lkw-Fahrer lautete Anfangs: Die Regierung solle den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras anweisen, die Preise wieder zu senken und einzufrieren. Die brasilianische Regierung hatte 2016 die jahrelange Praxis der Preiskontrolle für Treibstoffe aufgegeben und zusätzlich die Steuern erhöht. Die von Korruptionsskandalen erschütterte Petrobras sollte so wieder auf Vordermann gebracht werden.
Daher reagierte Brasiliens Präsident Michel Temer zunächst abweisend auf die Forderungen der Blockierer. Erst als sich die ersten gravierenden Folgen des Streiks zeigten – in Krankenhäusern fehlten Sauerstoff und medizinisches Gerät – reagierte seine Regierung. Sie verhandelte einen Preisnachlass für Diesel, freilich ohne selbst zu wissen, wie sie diese indirekte Subvention bei einem riesigen Haushaltsloch finanzieren soll.
Doch das reichte den Lastwagenfahrern, darunter zahlreiche besonders betroffene Freiberufler, nun nicht mehr. Viele betrachteten den Streik jetzt als generellen Protest gegen die Regierung Temer und die Gesamtlage Brasiliens. Teile der Bevölkerung begannen, die Lkw-Fahrer zu unterstützen, brachten ihnen Nahrung und Decken.
Es zeigte sich die große Unzufriedenheit mit Präsident Michel Temer, der 2016 die demokratisch gewählte Präsidentin Dilma Rousseff mit einer Clique von Getreuen gestürzt hatte. Temer hatte versprochen, die wirtschaftliche Situation des Landes zu verbessern, das in der Rezession steckte. Zwar haben sich seitdem einige wirtschaftliche Rahmendaten verbessert, doch viele Brasilianer spüren nichts davon. Die Arbeitslosenrate liegt unverändert bei 13 Prozent (fast 14 Millionen Menschen), und die Lebenshaltungskosten sind in Relation zu den Einkommen extrem hoch. Zudem stehen der oft abgehoben wirkende Temer und einige seiner Minister unter Korruptionsverdacht.
Für viele Brasilianer ist der Trucker-Streik nun zum Ventil geworden, um ihrem eigenen Unmut Luft zu machen – auch weil sie natürlich selbst unter den gestiegenen Benzinpreisen leiden. Bislang nehmen sie dafür die drastischen Einschränkungen noch in Kauf.
Um einen kompletten Stillstand des Landes zu verhindern, hat Präsident Michel Temer zuletzt das Militär angeordnet, die Versorgung mit Treibstoff und vitalen Gütern zu garantieren. Doch ironischerweise fehlt es auch der Armee an Treibstoff. Viele Militärs tun sich zudem schwer mit der Vorstellung, einen von großen Teilen der Brasilianer befürworteten Streik gewaltsam aufzulösen.