Mit dem Fahrrad auf der Landsberger Allee immer geradeaus, immer Richtung Osten. Eine halbe Stunde vom Alexanderplatz, eine Dreiviertelstunde, eine ganze Stunde. Vorbei an Einkaufscentern, Bowlingcentern und Drive-ins.
Wie diese Stadt ihr Gesicht verändern kann. Wie die Häuser plötzlich in die Höhe schießen und in die Breite gehen. Wo zwischendrin Wiesen verwildern und Raupenfahrzeuge auf Schuttbergen thronen. Wo um 18 Uhr der einzige Mensch auf der Straße ein alter Mann mit seinem krummen Dackel ist. Ansonsten immer nur Autos, Autos, Autos. Auf dem Weg in die Schlafburg Marzahn-Hellersdorf mit ihren 250.000 Betten.
Dann Halt machen vor einem dieser Häuserriegel, der inmitten anderer identischer Häuserriegel steht. Vorbereitung auf Zigaretten, Bier und einen plärrenden Fernseher. Eine richtige Arbeiterfamilie hatte es ja sein sollen. Richtige Proletarier, grobe und ungehobelte Menschen, herzlich, aber ohne Kultur. So hatte man sich das zumindest vorgestellt. Und nun? Gibt es grünen Tee, Aroma: Ginseng-Pflaume. Die weiche Ledercouch verschluckt einen sanft. Kerzen tauchen das Wohnzimmer in goldenes Licht. An den Füßen trägt man flauschige Filzpuschen. Peter Risch hat sie im Flur bereit gestellt. Seit 20 Jahren verlegt er Teppiche. Auf den eigenen lässt er nichts kommen.
„Ick sage immer, wir wohnen in Polen“, Peter Risch weiß, wie man im Rest Berlins über die Plattenbausiedlung Hellersdorf denkt. Es kratzt ihn nicht, „ick bin zufrieden hier. Die Nachbarn sind normale Menschen wie wir”. Was für andere wie eine Beleidigung klingen mag – die Rischs sind stolz drauf. Sie sind das, was man als Otto Normalverbraucher bezeichnen würde oder als kleinen Mann. Mit einem Netto-Jahreseinkommen von etwas über 19000 Euro liegt Peter Risch zwar 4500 Euro über dem Berliner Durchschnitt. Aber er verdient auch nicht mehr als ein durchschnittlicher Bremer. Die Rischs wohnen in einer aufgeräumten Dreizimmerwohnung. Sie haben ein Auto, einen Fernseher, einen Computer, ein Kind und 40 Bände Brockhaus, in die sie selten schauen. Wenn Politiker vom „Volk“ sprechen oder von „den Menschen im Land“, dann meinen sie Leute wie die Rischs. „Wir sind normal“, der Satz wird noch oft im Laufe der Bekanntschaft fallen.
Doch gerade wenn man die Rischs zum Maßstab nimmt, dann sollten sich die Volksvertreter Sorgen machen, um das Vertrauen in die Politik und ihre Fähigkeiten. Denn für die Rischs geht es seit einigen Jahren nicht mehr bergauf. Es geht auch nicht wirklich bergab. Aber was ist zermürbender als Stillstand mit der Option nach unten? Wenn alles teurer wird und nichts mehr sicher scheint.
„Man muss flexibel sein“
Wie eine kürzlich im „Stern“ veröffentlichte Forsa-Umfrage belegt, haben nur noch 18 Prozent der Deutschen Vertrauen in die Bundesregierung. Mit anderen Worten: Mehr als 80 Prozent sehen ihre Zukunft nicht gut bei ihr aufgehoben. Auch die Rischs klammern sich da nicht aus.
„Man macht sich heute viel mehr Sorgen als früher und denkt, was wäre wenn…“ Claudia Risch lässt den Satz so stehen, „Arbeitslosigkeit“ ist in ihrem Haushalt ein Tabuwort. Man nennt sie lieber nicht beim Namen, denn sie wohnt gleich um die Ecke. Fast jeder fünfte Erwerbsfähige in Marzahn-Hellersdorf ist ohne Job.
Auch Peter Risch war schon mal arbeitslos. Für zwei Wochen. Da habe er dann nicht so früh aufstehen müssen, scherzt er. „Um Gottes Willen…“, stößt Claudia Risch hervor. Allein die Erinnerung macht ihr Angst. Vor dem Mauerfall hat sie für ein großes Bekleidungshaus in Westdeutschland genäht. „Made in GDR“ stand jedoch nicht auf den Etiketten der Kleider. Das Unternehmen wollte verbergen, dass seine Ware von DDR-Frauen hergestellt wurde. „Sonst hätte das doch keiner gekauft“, glaubt Claudia Risch. Ihre Arbeit wird heute von Chinesinnen und Thais erledigt.
Nach der Wende fand sie mit etwas Glück einen Job als Verkäuferin in der Hellersdorfer Filiale eines Bekleidungshauses. Erst vor kurzem standen dort Entlassungen an. Claudia Risch war Nummer sieben auf der Liste. Sie entging dem Rauswurf, weil Kolleginnen zu ihren Gunsten auf Stunden verzichteten. Jetzt sei ihre Halbtagsstelle sicher, glaubt sie. Die Firma habe jetzt ein eigenes Management, zuvor hatten Unternehmensberater zur „Ausdünnung der Belegschaft“ geraten, wie man so schön sagt.
Auch Peter Risch kennt die Symptome der Wirtschaftskrise. „Ick sage immer, dit heißt nicht mehr Otto Normalverbraucher, sondern Otto Rentner.“ Der 42-Jährige freut sich über das Wortspiel. Tatsächlich verlegt er nur noch bei älteren Menschen, „weil die Planungssicherheit haben. Die anderen stecken ihr Geld nicht in Teppiche, die warten ab, was sich noch alles zusammenbraut.“
Auch Peter Risch wartet ab. Zwar hat ihm die Firma dieses Jahr überraschend Weihnachtsgeld gezahlt, doch Urlaubsgeld bekommt er nicht mehr. „Und was sie einmal gestrichen haben, das is weg. Das kommt nie wieder.“ Peter Risch ist einer von 25.000 Bodenlegern, die es in Deutschland gibt. Er arbeitet konstant 40 Stunden die Woche. Ebenso konstant bleibt sein Einkommen.
Um viertel nach vier steht er morgens auf, wäscht sich, frühstückt. Um fünf fährt er mit dem alten Citroën zur Arbeit nach Reinickendorf. Für die Fahrt braucht er eine Stunde. Peter Risch ist um sechs Uhr beim Betrieb, eigentlich müsste er erst um sieben dort sein. Aber wenn er später von zu Hause losfahren würde, herrschte schon Stoßzeit auf Berlins Straßen. Und Stop-and-go-Verkehr will Peter Risch vermeiden. Also liest er eine Stunde vorm Werkstor Zeitung und plaudert mit Kollegen. „Das ist sehr kollegial bei uns, fast so, wie es früher in der Arbeitsbrigade gewesen war. Fehlt nur noch die Wandzeitung.”
Peter Risch arbeitet für eine Gebäudereinigung. „Facility Services nennt man das ja jetzt.“ Daneben bietet die Firma weitere Dienstleistungen wie eben Teppichlegen an. Peter Risch ist der letzte von zehn Fußbodenlegern, die in dem Betrieb noch vor acht Jahren arbeiteten. Deshalb schafft er für zwei. Und er hätte nichts dagegen, wenn die Firma ihm einen der rund 8.000 arbeitslosen Bodenleger zur Seite stellen würde, die es in Deutschland gibt. Seinen letzten Winterurlaub hat Peter Risch nämlich vor lauter Arbeit streichen müssen. Claudia Risch ist dann alleine mit dem neunjährigen Max ins Riesengebirge gefahren. „Man muss ja heutzutage flexibel sein“, sagt Peter Risch, und es hört sich an, als ob er einen FDP-Dauertalkshowgast nachäfft.
1985 lernten sich Peter und Claudia im „Bärenschaufenster“ kennen, eine Diskothek gegenüber vom Tierpark Friedrichsfelde. Im Sommer 1990, kurz vor der Wiedervereinigung, haben sie geheiratet. Da war sie 22 Jahre alt. Er war 29 und seit zehn Jahren gelernter Bodenleger. Auf dem Hochzeitsfoto der Rischs sieht man ein fröhliches, blondes Mädchen mit spitzem Gesicht und losen Haaren. Sie trägt ein weißes Kleid und hält gelbe Rosen in den Händen. Daneben steht ein hochaufgeschossener Bräutigam mit dunkler Fliege und dunklem Schnauzer. Auch er gelöst und zuversichtlich. Ihren ersten Urlaub als Ehepaar haben sie auf einem kleinen Campingplatz in Tschechien verbracht. Seitdem waren sie immer wieder im Osten, vor allem in Polen. Nur einmal, kurz nach der Wende, sind die Rischs mit dem Bus ans Mittelmeer gefahren. In einen Ort nördlich von Barcelona, an dessen Namen sie sich nicht erinnern. Gefallen hat es ihnen dort nicht. „Hätten wir auch auf die Schönhauser gehen können. So viele Spinner, und überall wollten sie einen in ihre Läden zerren.“
13 Jahre nach der Hochzeit erkennt man das Ehepaar Risch fast nicht wieder. Peter Risch hat sich den Schnauzer abrasiert und trägt die Haare kurz. Er wirkt kantiger, männlicher, an den Schläfen ist er leicht ergraut. Er trägt Filzpuschen, Jogginghose und T-Shirt. Claudia Risch hat in ihre kurzen blonden Haare ein Dauerwelle machen lassen. Die rosa Bluse lässt sie über die Hose hängen. Sie ist unscheinbarer als auf dem Foto, ihr Gesicht ist nun eher rund als spitz. Sie kichert laut und gern. Um acht wird Sohn Max ins Bett geschickt. Er verabschiedet sich höflich und verschwindet dann in sein Zimmer. Für ein zweites Kind finden sich die Rischs zu alt. „Und wat sollen wir mit ’nem zweiten Kind, wenn wir keine Zeit haben? Is ja gar nicht berechenbar, wat dit kosten würde“, sagt Peter Risch. In der 70-Quadratmeter-Wohnung der Rischs wäre ohnehin kein Platz.
Im Wohnzimmer drängen sich ein Esstisch, ein Teetisch und ein Computertisch. Die Stereoanlage steht auf dem hellblauen Teppich neben dem Fernseher, die Couchgarnitur nimmt zwei Wandseiten in Beschlag, die Schrankwand mit dem Brockhaus die dritte. Alles nicht vom Allerneuesten, doch die Rischs sind stolz darauf, dass die Dinge bezahlt sind. Schulden machen sie aus Prinzip nicht. Davor haben sie genauso viel Angst wie vor der Arbeitslosigkeit. Neulich klopfte einer von Peters Brüdern an die Tür und bat um 100 Euro. Peter Risch hat sie ihm natürlich gegeben. Der Bruder ist Maurer und verdient nur saisonbedingt Geld und auch nur, wenn die Zahlungsmoral der Auftraggeber stimmt. „Früher hatte man schon mehr Sicherheit vor sozialem Abstieg“, sagt Peter Risch. Sicher wie in Abrahams Schoß habe man früher gelebt, vielleicht zu sicher.
Die Rischs reden viel von früher. Früher heißt für sie vor dem 9. November 1989. Die ereignisreiche Nacht allerdings verschliefen sie: „Am Morgen steht so’n Besoffski am Kiosk und erzählt, ‚die Mauer is offen’. Ick hab nur gedacht, Mann, is der voll.“ Als Peter Risch erfährt, dass die Mauer tatsächlich offen ist, geht er arbeiten. Wie an jedem anderen Tag. Warum auch nicht? „Wer behauptet, dass es ihm zu Ostzeiten nicht gut ging, der lügt. Was nützt die Reisefreiheit, wenn man das Geld nicht hat.“ Peter Risch hört sich manchmal wie ein Meckerossi an. Wie einer, der sich immer nur beschwert, aber nie engagiert.
Vorsorge für den Notfall
Dabei ist Peter Risch einer von 300 Aufrechten, die in Marzahn-Hellersdorf die Flagge der Sozialdemokratie hochhalten. Auf Politiker ist er allerdings ganz schlecht zu sprechen, vor allem auf die der eigenen Partei. Was nicht nur wegen der PDS frustrierend ist. Die SED-Nachfolgepartei hat hier bei der letzten Bezirkswahl mehr als 51 Prozent erzielt und regiert alleine. Von 1990 bis 1995 saß Peter Risch für die SPD in der Bezirksverordnetenversammlung, heute ist er Basisgruppenvorsitzender. Doch er fragt sich immer öfter, warum? „Als SPD-Mitglied muss man schon masochistisch veranlagt sein. Das ist ja keine Arbeiterpartei, sondern eine von Lehrern und Beamten.“ Und stinksauer sei er auf die Parteiführung, so wie eigentlich alle im Ortsverband, weil das da oben „ganz miese, umständliche Handwerker sind. Die haben kein Feeling mehr für den kleinen Mann.“ Warum er dann nicht austrete? „Weil’s besser ist, man macht was, als rumzunörgeln.“ Nicht alle Sozialdemokraten in Hellersdorf denken so. Allein in Peter Rischs Basisgruppe schmissen acht von 30 Genossen in den letzten Monaten, als es um die Agenda 2010 ging, das Handtuch. Auch wegen dieser Erfahrung hat Peter Rischs Vertrauen in die Demokratie in letzter Zeit gelitten. Deutschland sei zwar eine Demokratie, „aber die Deutschen sind immer nur so lange Demokraten, wie es was zu verteilen gibt. Demokratie ist halt ein dröges Geschäft.“
Peter Risch ist 1989 in die SDP (der erste Ableger der SPD im Osten) eingetreten, „aus einem Gefühl heraus, die tun was für die Schwachen.“ Er selbst hat zwar Arbeit, aber er weiß, dass sich die Auftragslage seiner Firma schnell ändern kann. „Die Mecklenburger Ruhe hab’ ick nicht, so zu tun, als ob ick nicht schon im Februar ohne Arbeit dastehen könnte.“ Die vielen Ich-AGs machen seiner Firma zu schaffen. „Da kommen dann zwei Mann aus Magdeburg und schlafen im Zelt auf der Baustelle.“ Und weil der Staat sie fördert, können sie Preise anbieten, „da weiß man gar nicht, wie die den Kleber bezahlen“. Wenn die Förderungen aber wegfielen, machten die Ich-AGs Pleite, und die Preise seien versaut.
Außerdem schlaucht der Job. Peter Risch zieht Klebestreifen über den Fußboden, rollt Teppiche darüber, bringt Leisten an, er muss Möbel anheben und auf die Seite stellen, dann die Teppiche fixieren, die Möbel wieder an ihren Platz rücken. Er arbeitet meist gebückt oder auf den Knien. Es knirsche ganz schön im Gebälk, sagt er, „dit merkt man aber immer erst auf Urlaub“. Vor drei Jahren rissen die Kreuzbänder im Knie. Seitdem ist Peter Risch vorsichtiger geworden. „Bis zur Rente hält man dit nicht durch.“ Da müsse man vorsorgen.
Peter Risch und seine Frau verdienen im Monat zusammen 2100 Euro netto, hinzu kommen 150 Euro Kindergeld. Das macht 2250 Euro. Davon gehen als die größten Posten 480 Euro als Miete weg und 250 Euro für die Krankenversicherung. Bleiben also erst mal 1520 Euro über. Das Auto verschlingt 120 Euro Benzin und 60 Euro Steuern, der Schulhort für Max kostet 75 Euro. An die Bewag überweisen die Rischs im Monat 50 Euro. Bleiben noch die Versicherungen: Haftpflicht, Hausrat, Unfall und Berufsunfähigkeit. Die verbrauchen zusammen 107 Euro monatlich. Als kleinster Posten ist die Mitgliedergebühr im Judo-Verein für Max verbucht, die kostet zwölf Euro. Also haben die Rischs knapp 1100 Euro übrig für Lebensmittel, Telefon und Kleidung. Wenn sie sich etwas leisten, kaufen sie nicht das Billigste, sondern Qualität. „Wir sind zu arm, um Schrott zu kaufen“, sagt Claudia Risch.
Was am Ende jeden Monats übrig bleibt, tragen die Rischs zur Bank. Wie viel es im Durchschnitt ist, wollen sie nicht sagen, an Weihnachten weniger, sonst eben mehr. Ein Vermögen sei es nicht. Sie sparen für den nächsten Urlaub im Osten, sorgen für Notfälle vor, schaffen sich ihre eigene kleine soziale Sicherheit. Wenn man nicht mehr auf die Politik vertraut, dann muss man eben zu Hause vernünftig wirtschaften. So sehen es die Rischs. Als ihre Wohnung aus DDR-Besitz 1995 an einen privaten Investor verkauft werden sollte, überlegten sie sich zunächst, die Wohnung zu kaufen. Doch das stellte sich als zu teuer heraus. Also gründeten sie mit 300 Nachbarn die Wohnungsgenossenschaft „Grüne Mitte Hellersdorf“. Jedes Mitglied zahlte 12000 Mark, und gemeinsam wurden sie zu Miteigentümern der Wohnungen, an die Genossenschaft fließt auch die Miete. Ihre Wohnung ist ihnen sicher. Peter Risch sitzt im Aufsichtsrat der Genossenschaft, die ihre Mitgliederzahl bis heute mehr als verdoppelt hat. Die Rischs wissen sich also selbst zu helfen, sie erwarten im Grunde nicht mehr viel vom Staat, „außer dass er einen vorm Verhungern bewahrt“. Davor hätte Peter Risch Angst, aber sonst?
Es genügt nicht, am Zaun zu rütteln
Es scheint, als ob sich die Rischs innerlich vom Sozialstaat bereits verabschiedet hätten und versuchten, ihre Zukunft selbst zu sichern. Das fällt ihnen nicht immer leicht. Sie schimpfen wie Peter Risch auf die Regierung, die nicht mehr die Interessen der Arbeiter vertrete und planlos sei, „es genügt ja nicht, am Zaun zu rütteln. Man muss auch wissen, was man macht, wenn man drin is.“
Doch die Rischs übernehmen, wo sie können, Verantwortung und versuchen, Risiken auszuschließen. Peter Risch und seine vier Brüder sind von der Mutter, einer überzeugten Sozialistin, zur Solidarität erzogen worden und helfen sich gegenseitig aus, wo es nötig ist. Ein Bruder ist Klempner, einer Dreher, einer Maurer, einer Zimmermann. „Zusammen könnten wir ’n Haus bauen“, sagt Peter Risch. Die Mutter wohnt gegenüber, passt auf Max auf, wenn Claudia Risch bis 20 Uhr arbeitet und Peter Risch bei der SPD ist. „Die Familie gibt einem schon das Vertrauen, nicht alleine zu sein, falls mal was passieren sollte.“
Nur wenn man die Rischs nach ihren Träumen fragt, wird man zunächst enttäuscht: „Wir haben keine großen Pläne“, sagt Claudia Risch. Fügt aber dann hinzu: „Wir haben uns.“ Und was soll mal aus dem Max werden? „Aus dem Piepel soll mal ein Rentner werden“, sagt Peter Risch. „Nee, im Ernst, dit soll mal ein Arbeiter werden.“
Obwohl Peter Risch streng genommen Angestellter ist, hat er sich ein Arbeiterethos bewahrt, wie man es im Dienstleistungsland Deutschland gar nicht mehr vermutet hätte: „Nur der Hände Arbeit ist ehrliche Arbeit.“ Auch Claudia Risch findet, dass ihr Sohn kein Intellektueller werden soll. Bloß die vielen Polen, die sich für Billiglöhne anstellen ließen und den Handwerkern die Jobs wegnähmen, die machten ihr Sorgen. „Is ja nicht wie früher, wo jeder automatisch Arbeit hat. Heute muss man sich eben mehr anstrengen. Dit is ja nicht verkehrt“, sagt Claudia Risch, während sie die neunte Tasse grünen Tee nachschenkt. „Der Tee ist gegen alles Mögliche gut“, sagt sie. Gegen Angst hilft er nicht.